Begegnung in der CIVS zum Maler Francis Harburger

Veröffentlicht am 16/09/2016 - Mis à jour le 05/04/2024

Am Freitag, dem 23. September 2016, ist Sylvie Harburger zur CIVS gekommen, um die Malerei ihres Vaters, Francis Harburger, vorzustellen und an seine Nachforschungen zu erinnern, die zwei wenig bekannte Aspekte in der Geschichte der Enteignungen von Kunstwerken enthüllen.

Francis Harburger ist ein eklektischer Maler. Er setzt Porträts, Stillleben, Landschaften, aber auch bürgerliche Malerei über den Frieden und Europa und weiterhin ökologische Malereien um. Er erfindet einen neuen künstlerischen Stil, die Hieroglyphen, über den die Realität in zwei Dimensionen dargestellt wird.

Francis Harburger wurde 1905 in Oran (Algerien) geboren. Sehr jung studiert er Kunst. 1921 tritt er der Hochschule für angewandte Kunst (Ecole des Arts décoratifs) bei, und später, 1923, der Hochschule für schöne Künste (Ecole des Beaux-arts). 1928 wird er zum Pensionsschüler der Kunstschule Casa Velázquez in Madrid ernannt. Zurück in Paris werden seine Werke in Galerien, auf Messen und der Weltausstellung 1937 ausgestellt, und er verkauft seine Werke. 1933 heiratet er Jeanine Halff, die Tochter des Generalsekretärs der Allgemeinen Israelitischen Allianz.

Da er ab Oktober 1940 von den antisemitischen Gesetzen bedroht wird, verlässt er Frankreich mit seiner Familie, um nach Alger zu gehen. Während des Krieges wird seine Familie dann enteignet, sie verliert ihren gesamten, in Paris verbliebenen Besitz; nicht nur die Möbel der Wohnung, sondern auch seine persönliche Sammlung und die Werke des Ateliers. In dieser Zeit zeichnen sich die Originalität der Enteignungen und der untypische Weg der Werke ab. Bei seiner Rückkehr aus Algerien leitet Francis Harburger, und nach seinem Tod 1998 seine Tochter, regelrechte Ermittlungen, um seine Gemälde wiederzufinden…

Bei Erklärung des Krieges hinterlegt Francis Harburger etwa zehn Werke im Tresorraum der Allgemeinen Israelitischen Allianz. Ab August 1940 leert der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) die Bibliothek der Allianz und natürlich den Inhalt des Tresorraums. Die Kisten mit den Gemälden werden mit denen mit Büchern vermischt. Die etwa 500 Kisten werden an die Kaderschule für Nazis in Frankfurt nach Deutschland geschickt. Der Weg wird von Francis Harburger perfekt bestimmt: die Kisten mit Büchern und Kunstobjekten werden von den Deutschen nach Hungen geschickt, um sie von der Bombardierung der Alliierten zu schützen. 1945 werden sie von den Amerikanern gefunden, die die Bücher an den Collecting Point in Offenbach und die Gemälde an den Collecting Point in Wiesbaden schicken. Sie erstellen Karteikarten, in denen die Signatur des Malers identifiziert wird, jedoch nicht der Besitzer des Gemäldes. So werden die Gemälde als besitzerloses jüdisches Gut betrachtet und der Jewish Restitution Successor Organization - JRSO - übergeben. Sie sind nun für den jungen Staat Israels bestimmt. Drei dieser Bilder werden Francis Harburger 1962 zurückgegeben, und ein viertes erhält Sylvie Harburger 2008 zurück.

Les Lavandières [2905 SH],
Während des Aufenthalts Francis Harburgers in der Kunstschule Casa Velázquez geschaffen; Atelier des Künstlers bis 1942; während der Besatzung wurde ihm das Gemälde enteignet. Auf Ersuchen des COSI 1943 versteigert und von Maurice Hordé erworben, Protokollführer des Kantons Sceaux. 1948 von Francis Harburger entdeckt und auf dem Flohmarkt von Vanves wiedergekauft; Atelier des Künstlers; Geschenk des Künstlers an das Museum von Castres, 1992.
Quellen: Archiv FH; CIVS, Akte 3011, RA 406-P48

1948 findet Francis Harburger zufällig eines dieser Bilder auf dem Flohmarkt wieder und kauft es zurück. Er befragt den Händler und verfolgt so die Spur bis zum Verkäufer, einem Gerichtsvollzieher, der ihm erklärt, er habe mehrere Gegenstände für das Arbeiter-Soforthilfe-Komitee (Comité ouvrier de secours immédiat – COSI) versteigert. Das COSI ist eine Organisation mit humanitären Zielen, die 1942 gegründet wurde. Sie verteilt Geld und Möbel aus jüdischen Enteignungen an Opfer. Die Versteigerungen finanzieren verschiedene Betriebskosten.

Die von Sylvie Harburger geleiteten Nachforschungen enthüllen wenig bekannte Bereiche der Enteignungsmaßnahmen dieser Zeit. Die Arisierungsverfahren der Gesellschaften durch das Generalkommissariat für Judenfragen (Commissariat général aux questions juives – CGQI) sind nämlich genau wie die Wohnungsenteignungen durch die „Aktion Möbel“ und die Enteignungen von Galerieeigentümern und großen Sammlern bekannt, man weiß jedoch wenig über das Schicksal der Ateliers der enteigneten jüdischen Künstler. Wie es Didier Schulmann im Catalogue raisonné verdeutlicht, veranlassen die dokumentierten Auskünfte, aus denen Sylvie Harburger die Beschreibungen der Werke ihres Vaters zusammengestellt hat, zu Überlegungen über die Undurchsichtigkeit des Kunstmarktes und zur Verwaltung der öffentlichen Sammlungen.

Femme à la mantille (œillet rouge) [3408 SH]
Im März 1940 im Tresorraum der Allgemeinen Israelitischen Allianz gelagert; Bild im August 1940 durch den ERR enteignet; von den Amerikanern im Lager von Hungen im April 1945 wiedergefunden; im Februar 1946 unter der Nr. 316532 nach Wiesbaden überstellt; im Juli 1951 an die JRSO in Nürnberg überstellt; 1952 nach Jerusalem ins Nationalmuseum Bezalel überstellt; 1962 an Francis Harburger zurückgegeben; Atelier des Künstlers; Nachlass Harburgers.
Quellen: Ardelia Hall Collection, NARA M 1947; Archive des Nationalmuseums Bezalel von Jerusalem

Entdecken Sie das Werk von Francis Harburger auf www.harburger.fr


Seitenanfang